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Grenzdurchbruch in Zittau
oder: Wenn einer eine Reise tut,
dann will er was erleben!
von Thomas Franke

Im Winter 1982 gönnte ich mir eine Woche Urlaub im Ferienort Jonsdorf im Zittauer Gebirge. Nach Tagesausflügen in die nähere Umgebung, nahm ich mir vor, einen Tag mal in Liberec (heute Tschechien) zu verbringen. In das befreundete sozialistische Nachbarland zu reisen, war eigentlich problemlos - ein gültiger Personalausweis genügte. Nur mit den Reisezahlungsmitteln gab es Einschränkungen: 30,- DDR-Mark durften pro Tag in tschechische Kronen getauscht werden. Dies war natürlich sehr dürftig, gab es doch im Nachbarland viele Dinge zu kaufen, die in der DDR etwas rar waren. So war einiges an Kreativität bei der Geldausfuhr gefragt. Ich wählte diesmal die Variante "volles Risiko": Einige Hunderter ganz schmal gefaltet und in die äu¤ersten Kanten der Geldbörse mit viel Hartgeld gestopft - eine Kontrolle hielt ich für unwahrscheinlich, denn so doof ist doch kein Mensch, in der Geldbörse Geld zu schmuggeln! So machte ich mich frohen Mutes auf nach Zittau Hauptbahnhof mit der Bimmelbahn ab Jonsdorf. Leider war die Bimmelbahn auch eine Bummelbahn, sie kam mit etlicher Verspätung in Zittau an. Dort bemerkte ich einige Bahnsteige weiter schon meinen Schnellzug nach Liberec kurz vor der Abfahrt. Ich wetzte wie verrückt durch den halben Bahnhof, rannte eine Art Holzrampe rauf und runter und erwischte meinen Zug gerade noch. Als ich den Türgriff des letzten Wagens in der Hand hatte, hörte ich lautes Gebrüll: "Halt stehen bleiben! Grenzkontrolle der DDR!" Wie ich nun die Stufen in den ersehnten Waggon erklimmen wollte, wurde ich festgehalten, worauf ich energisch protestierte, hatte ich doch den Zug gerade so erreicht! Mir wurde versprochen die Abfahrt des Zuges zu verzögern, "... der Zug geht ab, wenn wir das sagen!"

Ich erlaubte mir die Uniformierten zu fragen, weshalb so eine Aktion. Mit eisiger Miene wurde mir erklärt, daß ich gerade die Staatsgrenze der DDR beziehungsweise die Kontrollstelle durchbrochen hätte. Ich hätte nie gedacht, daß man dies so leicht schaffen würde! Eine kleine Hütte und diese Holzrampe auf dem Bahnsteig stellte den Grenzpunkt dar, und ich mit meinen Sprintqualitäten war den kaffeetrinkenden Wachsoldaten weggeflitzt! Nun wurde ich befragt, woher, wohin, warum, zu wem, Beruf, und so weiter. Natürlich konnte ich mit freimachen bis auf die Turnhose und wurde durchsucht. In meiner Tasche und auch in meiner Kleidung war auch bei gründlicher Kontrolle nichts zu finden. Meine Geldbörse wurde nur kurz geöffnet und beim Anblick der paar Kronen geschmunzelt. Ich wurde kurz darauf verabschiedet: "... und denken Sie an uns bei der Rückkehr, wir erwarten Sie!" Mit etwas flauem aber auch stolzem Gefühl nahm ich Platz im Schnellzug nach Liberec, der tatsächlich eine dreiviertel Stunde auf mich warten durfte. Von Liberec sah ich nicht viel, ich kaufte mir den ersehnten Sturzhelm und machte mir Gedanken, wie ich diese Errungenschaft in die DDR transportiere. Ich dachte an die Post, an eine Paketsendung, aber falls eine Kontrolle durchgeführt werden würde, hätte man das Paket zurück an den Absender geschickt, den es nicht gab. Nach dem obligatorischen Essen - Schweinsbraten mit Kneedel - bei original Pilsener, wurde ich wieder mutig und beschloß "volles Risiko".

In Zittau Hauptbahnhof wurde ich schon von den Herren mit einem Grinsen erwartet und in die "Kontrollstelle" gebeten. Ich gab gleich meine Erklärung ab: "Ich gestehe, einen Motorradsturzhelm gekauft zu haben, er stach mir so ins Auge, das hat ein älterer Herr in dem Kaufhaus mitbekommen und da dieser sehr gut deutsch konnte, bekam er meine Not beim bezahlen mit. Er freute sich einem DDR-Bürger zu begegnen und half mir mit der fehlenden Summe aus. Aus lauter Freude vergaß ich, seine Personalien zu erfragen! Können Sie mir das nachsehen?" Die Grenzer waren baff und wußten nicht, wie sie diese Geschichte auffassen sollten. Eine Nachprüfung wäre sehr aufwendig gewesen und hatte dieses Bürschchen überhaupt die Frechheit. So wurde ich entlassen, ging schuldbewu¤t zu meinem Bimmelzug und freute mich erst im Quartier so richtig über meinen Schelmenstreich. Leider hatte der Vorfall ein Nachspiel - seither wurde ich bei jeder Reise ins Ausland oder Einreise in die Kontrollräume gebeten, um mich frei zu machen. So wurde ich zur Kreativität erzogen. Bei heutigen Reisen fehlt mir dieser Nervenkitzel dann doch ein wenig!

 

Die Rettung der Busenfreundinnen
von Thomas Franke

Es war einmal ... in den 80er Jahren, daß die Wände einer Reparaturhalle für Automobile mit einem blendenden Weiß angestrichen wurden. Ein wenig Abwechslung fürs Auge boten nur diverse Ablagen und Hängevorrichtungen für metallgraue Werkzeuge beziehungsweise Kleinersatzteile. Diesen trostlosen Anblick an jedem Arbeitstag konnte ich (der Lagerist) nicht länger ertragen und beschloß für etwas Wandschmuck zu sorgen. Damals sammelte ich Kalender jeden Genres auf manchmal abenteuerliche Weise. Deren Bilder wurden zumeist aufgeblockt und verkauft. Unter nun eben diesen Kalendern war ein Prachtexemplar, etwa 50 X 80 cm, auf dessen Monatsblättern attraktive Damen in spärlicher Bekleidung Autobatterien, Scheinwerfer, Stoßstangen und anderes Fahrzeugzubehör präsentierten. Meine Arbeitskollegen waren begeistert und bald zierte jeden der zehn Arbeitsplätze ein farbenprächtiges Kalenderbild!

Doch eines Tages wurde unser Betrieb auserwählt, eine Delegation aus der Weite der Sowjetunion begrüßen zu dürfen. In Vorbereitung dieses Ereignisses wurde leider ein Mitglied der SED-Kreisleitung zur Inspektion in die Reparaturhalle für Automobile gelassen und das Unglück nahm seinen Lauf, denn kurz darauf verlangte dieser Genosse energisch die sofortige Entfernung der obszönen Kalenderblätter mit Propaganda für den Klassenfeind! Er steigerte sich soweit, daß auch in einem Nebenraum Aktfotos aus dem MAGAZIN oder Poster mit Sportfahrzeugen, die auch auf dem Sachsenring fuhren, überstrichen oder entfernt werden mußten. Die Stimmung meiner Kollegen war denkbar mies und ich fühlte mich persönlich angegriffen, hatte ich doch mit diesem farbenfrohen Wandschmuck zur Verbesserung des Arbeitsklimas beigetragen. Ich diskutierte mit dem SED-Mann und erklärte ihm, daß die werbenden Firmen alle Handelsbeziehungen zur DDR hätten und so obszön seien die Damen wahrhaftig nicht. Aber der Genosse blieb hart und marschierte ab. Ich war in Wut geraten und griff zum Telefonbuch, um die SED-Bezirksleitung anzurufen. Denn so ein kleinkarrierter Mensch konnte doch keine Staatspartei präsentieren. In Halle gab es zu meinem Erstaunen tatsächlich eine Abteilung für "internationale Verbindungen" und mein Gesprächspartner war im Bilde über die Delegation aus Baschkirien. Als ich ihm den Sachverhalt erklärt hatte, spürte ich sein Grinsen in der Stimme, als er antwortete: "Schöne Grüße an den Genossen in Naumburg, er solle das nicht so eng sehen. In Baschkirien gibt es viel schärfere Sachen zu sehen!" Hurra - ich hatte gesiegt.

In meiner Euphorie hatte ich den Namen des Hallensers vergessen, flitzte zu dem Naumburger Genossen und bestellte den Gru¤ aus Halle. Der SED-Kreismann wuchs plötzlich einige Zentimeter, bekam große Augen und einen roten Kopf (sollte er doch immer haben!) und stammelte: "Was haben Sie sich erlaubt?!" Am Tag der Delegation passierte nichts. Kurz vor Mittag kam unsere Betriebsleitung und erklärte, daß ein Kollege innerhalb von 10 Minuten 30 Jahre erfolgreiche Firmenentwicklung zunichte gemacht habe und der Besuch aus der fernen SU nun einen VEB besucht! Meine Kollegen distanzierten sich auch gleich von mir, waren aber froh, da¤ ihr Wandschmuck noch ein paar Jahre hängen bleiben konnte. Ich kam mit einem Verweis davon. Später erfuhr ich, daß die SED-Kreisleitung sogar meine Entlassung gefordert hatte, aber irgendwie muß ich unserer Betriebsleitung doch wertvoll gewesen sein!?